Arbeitszeiterfassung: Pflicht bleibt vorerst Pflicht

Die Frage, wann aus der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ein Gesetzt wird, treibt viele Unternehmen um. Wir zeigen, wie es mit der rechtlichen Lage aussieht, welche Möglichkeiten zur Zeiterfassung sich bieten, und wie aus Pflicht Chance werden kann.

Mit dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes vom 13. September 2022 wurden Arbeitgeber deutschlandweit in die Pflicht genommen, die Gesamtarbeitszeit ihrer Beschäftigten zu erfassen. Bislang beschränkt sich diese Pflicht jedoch auf eine systematische Arbeitszeiterfassung; ein Gesetzesentwurf des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil, der eine elektronische Dokumentation der Daten vorsah, stieß innerhalb der Ampel-Koalition auf Widerstände und wird seither intern beraten.

Wir zeigen in diesem Artikel, wie es gegenwärtig mit der gesetzlichen Lage aussieht, welche technischen Möglichkeiten sich für Arbeitgeber bieten, und wie aus einer Pflicht Chance werden kann.

 

Key Takeaways

  • Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht bereits: Das Bundesarbeitsgericht hat im September 2022 beschlossen, dass Arbeitgeber in Deutschland in der Pflicht stehen, die Gesamtarbeitszeit ihrer Beschäftigten zu erfassen.
  • Bislang nicht gesetzlich verankert: Der Beschluss, nach dem es eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gibt, ist bislang noch nicht in das Arbeitszeitgesetzt eingeflossen.
  • Modelle zur Arbeitszeiterfassung: Unternehmen können auf diverse Modelle zur Arbeitszeiterfassung zurückgreifen; neben eher traditionellen Varianten wie Stundenzettel und Stechuhr bieten sich dabei auch vielversprechende digitale Möglichkeiten.
  • Digitale Arbeitszeiterfassung als Chance: Mit dem Modell der digitalen Zeiterfassung - beispielsweise per App - können bürokratische Hürden abgebaut, Kosten eingespart und die Effizienz des Unternehmens gesteigert werden.

 

1. Grundlegendes zur Arbeitszeiterfassung

Einführung des Arbeitszeitgesetz im Juni 1994

Die flächendeckende Regulierung der Arbeitszeiten in deutschen Betrieben und Unternehmen beginnt mit der Einführung des bundesdeutschen Arbeitszeitgesetz (ArbZG) im Jahr 1994. Bereits hier wurde festgelegt, dass Arbeitgeber dazu verpflichtet sind, die Mehrarbeit ihrer Beschäftigten aufzuzeichnen. Diese Aufzeichnungspflicht beschränkte sich allerdings ausschließlich auf die Dokumentation von Sonntagsarbeit und Überstunden. Eine Pflicht zur ganzheitlichen Erfassung der Arbeitszeiten aller Beschäftigter ist im Arbeitszeitgesetz somit nicht enthalten.

„Stechuhr-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofes vom Mai 2019

Dies hätte sich mit dem sogenannten „Stechuhr-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofes vom Mai 2019 eigentlich ändern sollen. Darin wurde entschieden, dass Arbeitgeber europaweit in die Pflicht genommen werden müssen, ein System zur Messung der Arbeitszeit ihrer Beschäftigten einzuführen. Eine dem Urteil entsprechende Änderung des Arbeitszeitgesetzes hatten die Bundesregierungen bislang jedoch nicht umsetzen können.

Beschluss zur Arbeitszeiterfassung des Bundesarbeitsgerichtes vom September 2022

Vor diesem Hintergrund kann die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom September 2022 als Bekräftigung des 2019 gefällten „Stechuhr-Urteils“ gelesen werden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte infolge des Beschlusses unbürokratische und flexible Lösungen für das Frühjahr 2023 angekündigt. Ein im April 2023 vorgelegter Gesetzesentwurf stieß dann allerdings innerhalb der Ampel-Koalition auf Widerstand. Insbesondere die FDP will Heils Pläne nicht mittragen und fordert im Gegenzug eine flexiblere Gestaltung der Ruhepausen. Somit hängt die Frage nach der gesetzlichen Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung weiterhin zwischen Pflicht und Gesetzt fest. Von Seiten des Bundesamtes für Arbeit und Soziales heißt es, der Vorschlag werde derzeit noch regierungsintern beraten.

 

2. Was der Beschluss zur Arbeitszeiterfassung für Arbeitgeber bedeutet

Nicht nur in Regierungskreisen stößt der Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes auf Widerstände. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen schauen mit Sorge auf das Urteil. Ihre Befürchtung: Mit der Einführung einer gesetzlichen Pflicht zur flächendeckenden Arbeitszeiterfassung würden ein bürokratischer Mehraufwand sowie finanzielle Belastungen auf sie zukommen. Auch vom Comeback der Stechuhr war bereits die Rede.

Dass die Erfassung von Arbeitszeiten, insofern sie mit den richtigen Tools gut strukturiert durchgeführt wird, ganz im Gegenteil zu einem Abbau bürokratischer Hürden, zu einer Optimierung von Arbeitsabläufen und somit letztlich zu Kosteneinsparungen führen kann, wird dabei oft übersehen. Bevor es aber zu den möglichen Lösungsansätzen geht, wollen wir hier zunächst noch einmal darlegen, was der Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes für Arbeitgeber im Kern bedeutet. Folgendes lässt sich dazu auf der Seite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales finden:

  • Der Arbeitgeber ist zur Einführung eines Systems verpflichtet, mit welchem die von den Beschäftigten geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann (gemäß § 3 Absatz 2 Nummer 1 des Arbeitsschutzgesetzes).
  • Das BAG hebt hervor, dass diese Verpflichtung nicht nur die Bereitstellung, sondern auch die tatsächliche Anwendung eines Arbeitszeiterfassungssystems durch den Arbeitgeber einschließt.
  • Nach Aussage des BMAS kann der Arbeitgeber die Verantwortung für die Arbeitszeiterfassung zwar an die Arbeitnehmer delegieren, bleibt jedoch für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorgaben des Arbeitsschutzes verantwortlich.
  • Das Modell der Vertrauensarbeitszeit soll weiterhin erhalten bleiben. Die Erfassung der Arbeitszeiten soll allerdings auch hier erfolgen.
  • Die entsprechenden Arbeitszeitnachweise unterliegen einer zweijährigen Aufbewahrungspflicht.
  • Die Aufzeichnungen zur Arbeitszeit müssen den Mitarbeitenden auf Anfrage vorgelegt werden.
  • Die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung gilt in sämtlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgrund der Grundlage in der Arbeitszeitrichtlinie.
  • Der Betriebsrat hat laut § 87 Absatz 1 Nummer 6 Betriebsverfassungsgesetz ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überwachen.
  • Die Hauptverantwortung für die Einhaltung der Gesetze liegt beim Arbeitgeber, während die Überwachung und Umsetzung der Gesetze Aufgabe der Bundesländer und ihrer Arbeitsschutzbehörden ist.

Wie zeitgemäß ist der Gesetzesentwurf?

Auch wenn die Einführung einer gesetzlichen Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit aus Sicht vieler Arbeitnehmer begrüßenswert ist, kann sie - gerade in einer sich zunehmend dezentralisierenden Arbeitswelt - doch zu erheblichen Widersprüchen führen. In kreativen Berufen beispielsweise ist ein persönlicher Arbeitsrhythmus von großer Bedeutung. Auch in anderen Branchen beobachtet man immer häufiger ein freies Ausbalancieren von Berufs- und Privatleben; sei es aufgrund familiärer Verpflichtungen, oder aus rein pragmatischen Gründen. Softwareentwickler etwa releasen oftmals in der Nacht, da es dann ruhiger auf den Servern ist. Hier könnte Arbeitszeiterfassung zu einem lästigen Hindernis werden.

Wie gut ein kommendes Arbeitszeiterfassungsgesetz mit der Realität und den Prozessen der modernen Arbeitswelt zu vereinbaren ist, bleibt abzuwarten. Sinnvoll wäre in jedem Falle ein Überdenken der Regelung zur Vertrauensarbeitszeit. Im Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes wird die Zeiterfassung hier als Pflicht gesetzt. Im Gesetzesentwurf des Bundesarbeitsministers hingegen heißt es, die Möglichkeit von Vertrauensarbeitszeit soll durch die Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung nicht beeinträchtigt werden.


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3. Modelle der Arbeitszeiterfassung

Welch ein Modell Unternehmen zur Erfassung der Arbeitszeiten ihrer Angestellten wählen, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Je nach Branche, Unternehmensgröße und Arbeitszeitmodell bieten sich hierbei diverse Möglichkeiten. Die gängigsten Modelle haben wir im Folgenden kurz zusammengefasst.

  • Vertrauensarbeitszeit: Etwa ein Fünftel aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland entscheiden eigenverantwortlich über Beginn und Ende ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Bei diesem Modell „vertraut“ der Arbeitgeber darauf, dass die Beschäftigten der vereinbarten Arbeitsverpflichtung nachkommen. Bislang wurde hierbei komplett auf Arbeitszeiterfassung verzichtet.
  • Stundenzettel: Hier werden die Arbeitszeiten - meist von den Mitarbeitern selbst - händisch notiert. Dieses besonders in kleinen Handwerksbetrieben und der Baubranche verbreitete Modell ist günstig in der Anschaffung und technisch leicht umsetzbar. Von Nachteil sind dabei die hohe Fehleranfälligkeit sowie der Umstand, dass die notierten Zeiten im Nachhinein digitalisiert werden müssen, wodurch ein bürokratischer Mehraufwand entsteht.
  • Stationäre Systeme: Stationäre Systeme sind im Grunde die technische Weiterentwicklung der alten Stechuhren. Hierbei melden sich die Mitarbeitenden zu Beginn und Ende ihrer Schichten mittels Chip bzw. Chipkarte, Smartphone oder Fingerabdruck an entsprechenden Terminals an und ab. Für größere Produktionsbetriebe stellen System dieser Art nach wie vor eine sinnvolle Lösung zur Erfassung der Arbeitszeiten dar. Für kleinere Betriebe lohnt sich die Anschaffung jedoch nicht. Auch Unternehmen, die Mitarbeitende im Außendienst, Remote-Worker und/oder Angestellte im Home-Office beschäftigen, finden im stationären System keine zufriedenstelle Lösung.
  • Excel-Tabelle: Vor allem kleinere Unternehmen greifen bei der Arbeitszeiterfassung derzeit auf Excel-Tabellen zurück. Der Vorteil ist hierbei ganz klar ein finanzieller - das benötigte Programm ist in den meisten Betrieben bereits vorhanden oder ohne größeren Mehraufwand zu beschaffen. Ein Nachteil dieser Variante besteht darin, dass die Erfassung noch immer manuell erfolgt, womit nicht nur zu fehlerhaften Eintragungen, sondern auch nachträgliche Manipulationen möglich sind.
  • Digitale Arbeitszeiterfassung: Die digitale Arbeitszeiterfassung, z.B. per App, trägt der Heterogenität moderner Arbeitsmodelle und Beschäftigungsverhältnisse am ehesten Rechnung. Richtig umgesetzt, bietet diese Lösung dem Arbeitnehmer die Einfachheit des Stundenzettels, während der Arbeitgeber zugleich problemlos alle gesetzlichen Vorgaben erfüllt. Auf die weiteren Vorteile der digitalen Arbeitszeiterfassung wollen wir im Folgenden etwas expliziter eingehen.

 

4. Vorteile digitaler Arbeitszeiterfassung

Die digitale Zeiterfassung ist zweifelsohne die flexibelste und - gerade mit Blick in die Zukunft - auch sicherste der oben aufgelisteten Lösungen. Sowohl langfristig geplante wie auch kurzfristig notwendig gewordene innerbetriebliche Umstrukturierungen können mittels dieser Variante problemlos angegangen und mitgetragen werden. Ganz gleich, ob es sich um die Einführung von Home-Office-Arbeit, Gleitzeit-Modellen oder um die Ausweitung außendienstlicher Beschäftigung handelt: das Modell der digitalen Zeiterfassung passt sich problemlos den spezifischen Bedürfnissen eures Unternehmens an.

Vorteile im Überblick

  • Flexibilität: Gerade moderne Unternehmen funktionieren selten starr und versteift. Offenheit, Varianz-Bereitschaft, Agilität - all das sorgt für Sicherheit in einer sich wandelnden Arbeitswelt. Hier ist das Modell der digitalen Zeiterfassung beinahe eine notwenige Voraussetzung.
  • Genauigkeit: Neben der Flexibilität ist die Genauigkeit der wohl größte Vorteil der digitalen Variante. Im Vergleich zur manuellen Zeiterfassung minimiert die digitale menschliche Fehler. Überstunden, Unterstunden und Fehlzeiten können somit genauer erfasst werden.
  • Rechtliche Einhaltung: Die digitale Arbeitszeiterfassung trägt dazu bei, dass Unternehmen die gesetzlichen Vorschriften zur Arbeitszeit- und Überstundenvergütung einhalten. Rechtliche Probleme und Strafen können so vermieden werden.
  • Transparenz für Mitarbeiter: In der Regel bieten Modelle digitaler Zeiterfassung auch den Beschäftigten die Möglichkeit, ihre eigenen Arbeitszeitdaten einzusehen und diese zu überprüfen. Die damit gebotene Flexibilität stärkt das Vertrauen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
  • Integration: Oft lassen sich digitale Zeiterfassungssysteme problemlos in andere HR- und Gehaltsabrechnungssysteme integrieren, was die Verwaltung und Abrechnung von Arbeitszeiten vereinfacht.

 

Fazit

Aus der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung muss kein lästiges Unterfangen werden, welches Unternehmen in Mehrkosten stürzt und bürokratische Irrwege entstehen lässt. Im Gegenteil. Ein für die betriebliche Struktur geeignetes Modell zur Zeiterfassung kann sowohl Arbeitgeber wie auch Beschäftigte entlasten und zu einem angenehmeren betrieblichen Klima führen. Insbesondere die digitale Zeiterfassung sorgt dabei für mehr Flexibilität und Vertrauen, hilft dabei, bürokratische Hürden abzubauen und kann darüber hinaus zur Effizienzsteigerung des Unternehmen führen.

 

 

 

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